Umkehrung der Prioritäten: Vorrang der Friedensförderung vor der Verteidigung
Auch wenn nach dem Ende des Kalten Krieges die Armee deutlich abgespeckt wurde, ist sie
immer noch überdimensioniert. In der Vernehmlassung zum sicherheitspolitischen Bericht 2021 schlägt der Schweiz. Friedensrat (SFR) deshalb eine Umstellung der Prioritäten vor.
Spätestens seit dem Beitritt zur UNO ist die schweizerische Sicherheitspolitik auf ihr System der Kollektiven Sicherheit auszurichten. Der SFR schlägt eine entsprechende Umstellung der Prioritäten für die Armee vor, an erster Stelle die Beteiligung an der internationalen Friedensförderung, an zweiter die Katastrophenhilfe und an dritter die Landesverteidigung.
Für Einsätze in Friedensmissionen macht die Wehrpflicht keinen Sinn. Dazu braucht es sehr gut
qualifizierte und top motivierte Persönlichkeiten aller Geschlechter. Dafür ist das System mit der
Militärdienstpflicht für Männer ungeeignet; sie kann problemlos abgeschafft werden, auch da
durch die Konzeptionsänderung die Zahl der insgesamt benötigten Dienstleistenden massiv
abnimmt. Das hat “Nebenwirkungen” auf die andern Dienstpflichtbereiche, den Zivildienst und
Zivilschutz.
Mit dem Wegfall der Militärdienstpflicht entällt die Rechtsgrundlage für den Zivildienst. Dieser
hat jedoch seine Berechtigung und Notwendigkeit zur Genüge unter Beweis gestellt und ist in
veränderter Form aufrecht zu erhalten. Der Zivilschutz steckt offensichtlich in einer
strukturellen Krise, die deren Verantwortliche auf Kosten des Zivildienstes lösen möchten – ein
Irrweg. Nicht der Zivildienst muss unattraktiver gemacht werden, sondern der gesamte Bereich
von Schutz- und Rettungsorganisationen ist reformbedürftig. Der Umgang mit der
“Klimakatastrophe” ist nicht der Sicherheitspolitik unterzuordnen, sondern politisch, d.h. zivil zu
regeln.
Dieser Umbau ist mit einer massiven Verlagerung der finanziellen Mittel von der
Sicherheitspolitik zu Friedensförderung, Entwicklungszusammenarbeit und humanitärer Hilfe
zu koppeln. Dies erlaubt, dass die Schweiz endlich das Ziel erreicht, 0,7 % des
Bruttoinlandprodukts für die Entwicklungsfinanzierung aufzuwenden. Und sie könnte neben
einer massiven Aufstockung des Beitrags an das IKRK eine Defizitgarantie für dessen
Personalausgaben übernehmen. Zudem könnte sie ihre Beiträge an den weltweiten Kampf gegen die COVID-19-Pandemie massiv aufstocken und dazu beitragen, dass auch in den ärmeren
Ländern breit geimpft werden kann. Die Beispiele zeigen, wie die Schweiz mit bei den
Militärausgaben eingesparten Mitteln wirkungsvoll zu einer friedlicheren Welt beitragen könnte.
Mit der Reduktion der Armee entfällt auch das Argument der Notwendigkeit des
Kriegsmaterialexports und von sogenannten Dual-Use-Gütern für militärische Zwecke, um eine
eigenständige Kriegsmaterialproduktion zu ermöglichen. Im gleichen Zug sollte auch im
Finanzsektor eine klare Ausrichtung auf die Förderung einer friedlichen Entwicklung der Welt
erfolgen, mit dem Verbot der direkten und indirekten Finanzierung von Rüstungsgütern und der
Rüstungsindustrie. Der grundsätzliche Verzicht auf solche Exporte und ihre Finanzierung
verhindert, dass von der Schweiz aus Konflikte angeheizt werden und Schweizer Waffen in
Kriegsgebieten auftauchen.
Die Vernehmlassung des SFR im Wortlaut ist hier: Vernehmlassung Sicherheitspolitischer Bericht 2021 des SFR zu finden.