Am 14. November 2018 fand eine gesamtschweizerische Konferenz zur Umsetzung der Istanbul-Konvention in der Schweiz statt. Mit dieser europäischen Konvention hat sich die Schweiz dazu verpflichtet, Frauen besser vor Gewalt zu schützen, die Gewaltprävention auszubauen sowie Rollenbilder aufzubrechen.
Die Schweiz unterzeichnete das Istanbuler Übereinkommen, dessen offizieller Name «Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt» – kurz Istanbuler Konvention lautet, am 11. September 2013. Der Nationalrat hat darauf mit 120 zu 52 Stimmen am 11. Mai 2017 entschieden, die Istanbul-Konvention zu ratifizieren. Die Schweiz wurde am 14. Dezember 2017 als 28. Land Mitglied der Konvention. Die Mitgliedsländer werden dazu verpflichtet, präventive Massnahmen und rechtliche Sanktionen für die folgenden Verhaltensweisen einzuführen:
- häusliche Gewalt (körperliche, sexuelle, seelische oder finanzielle Gewalt);
- Nachstellung (Stalking);
- sexuelle Gewalt, einschliesslich Vergewaltigung;
- sexuelle Belästigung;
- Zwangsheirat;
- die Verstümmelung weiblicher Genitalien;
- Zwangsabtreibung und Zwangssterilisierung.
Der Vortrag von Rosa Logar, Mitglied Group of Experts on Action against Violence against Women and Domestic Violence (GREVIO), Geschäftsführerin Wiener Interventionsstelle gegen Gewalt an Frauen
Das Abkommen erkennt Gewalt gegen Frauen als eine Form von Menschenrechtsverletzung und Diskriminierung (Art. 3) und deshalb werden die Staaten zur Verantwortung gezogen, wenn sie dieser Gewalt nicht angemessen begegnen. Es ist auch das erste internationale Abkommen, das eine Definition von «gender» (Geschlecht) enthält. Dass Frauen und Männer nicht nur biologisch unterschiedlich sind, sondern dass ihnen bestimmte Rollen und Verhaltensweisen gesellschaftlich vorgeschrieben werden.
Die Istanbuler Konvention ist am 1. April 2018 in der Schweiz in Kraft getreten. Danach werden Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt europaweit auf einem vergleichbaren Standard bekämpft, verhütet und verfolgt. Gleichzeitig wird die Gleichstellung von Frau und Mann gefördert.
Die Eckpfeiler des Übereinkommens sind die Bereiche Gewaltprävention (die Sensibilisierung der Gesellschaft über die verschiedenen Formen von Gewalt und Traumata, die sie bringen; auf Geschlechterrollen und Klischees einzuwirken, die Gewalt gegen Frauen akzeptabel machen; Fachpersonal, das mit Opfern von Gewalt arbeiten kann, auszubilden; die Unterrichtsmaterialien zum Thema Gleichstellung in die Lehrpläne aufzunehmen; Opferschutz (medizinischen, psychologischen und rechtlichen Beistand für die Opfer anzubieten); die Bedürfnisse und die Sicherheit der Opfer bereitzustellen; Schutzunterkünfte und kostenlose Telefonberatung für Gewaltopfer zu bieten und die Strafverfolgung bei Gewalt gegen Frauen einzuleiten und Täter angemessen zu bestrafen; keine kulturellen oder religiösen Überzeugungen der Täter als Rechtfertigung für Gewalttaten zu anerkennen; Polizei- und Strafverfolgungsbehörden anzuweisen, unmittelbar auf Hilferufe zu reagieren).
Die Konvention hebt die Standards für die Hilfe der Opfer von sexueller Gewalt hervor: kostenlose, vertrauliche und 24/7 Frauennotrufe einzurichten, 1 Platz für 10’000 EinwohnerInnen in Frauenhäusern anzubieten, inklusive Beratung für Frauen, die Opfer wurden (eine Stelle pro 200’000 EinwohnerInnen). Ein besonderer Überwachungsmechanismus muss entwickelt werden, um die Umsetzung des Übereinkommens zu gewährleisten. Und eine Expertengruppe muss erstellt werden, um die Einhaltung des Übereinkommens durch die Staaten zu überwachen.
Auf gesamtschweizerischer Ebene ist das Eidgenössische Büro für die Gleichstellung von Frau und Mann, Fachbereich Häusliche Gewalt, gemäss Art. 10 der Istanbul-Konvention zuständig für die nationale Koordination, Umsetzung, Beobachtung und Bewertung der politischen und sonstigen Massnahmen zur Verhütung und Bekämpfung aller von dem Übereinkommen erfassten Formen von Gewalt. Das Gleichstellungsbüro ist für die Berichterstattung an den Europarat und den Follow-up-Prozess zu allfälligen Empfehlungen des Europarates verantwortlich. Das Gleichstellungsbüro arbeitet bei der Informationsbeschaffung mit der Schweizerischen Konferenz gegen Häusliche Gewalt zusammen, die von der Konferenz der kantonalen Justiz- und Polizeidirektorinnen und -direktoren und der Konferenz der kantonalen Sozialdirektorinnen und Sozialdirektoren mit der Koordination der Umsetzung auf kantonaler Ebene mandatiert wurde.
Podiumsgespräch „Herausforderungen und Schwerpunkte“ mit Jacqueline Fehr, Regierungsrätin Kanton Zürich, Hans Schmid, Delegierter Konferenz der Kantonalen Polizeikommandanten der Schweiz KKPKS und Gaby Szöllösy, Generalsekretärin Konferenz der kantonalen Sozialdirektorinnen und Sozialdirektoren SODK.
Zur Zuständigkeit der Kantone gehören die Strafverfolgung und die Schutz- und Sicherheitsmassnahmen; das kantonale Bedrohungsmanagement und die präventiv-polizeilliche Arbeit; die kantonale Opferhilfe; die medizinische Versorgung von Gewaltopfern; der Kindes- und Erwachsenenschutz und präventive Massnahmen. Das Umsetzungskonzept in der Schweiz fasst die Zusammenarbeit zwischen Bund und Kantonen und das Einbezug des Zivilgesellschaft ein.
Die erste Überprüfung der Umsetzung der Istanbul-Konvention in der Schweiz soll im Rahmen der ersten Berichterstattung (von Mitte 2018 bis zum Herbst 2020) der Schweiz an die GREVIO (Group of Experts on Action against Violence against Women and Domestic Violence) stattfinden. Die GREVIO umfasst 15 unabhängige europäische ExpertInnen.
Bei der Veranstaltung in Bern hat der cfd – die feministische Friedensorganisation, fünf Versprechen gegen Gewalt an Frauen zu unserer Kampagne «16 Tage gegen Gewalt an Frauen*» veröffentlicht. Sie sind:
Bericht von Diana Hryzyschyna
- Zuhören
- Selbstreflektion
- Austauschen
- Einschreiten
- Aktiv werden
Bericht von Diana Hryzyschyna